Hallo Papa,
ich weiss du wirst das hier nie lesen, mir ist es aber so wichtig meine Gefühle aufzuschreiben. Und wenn du es doch liest, dann lies es zu Ende. Ohne Vorurteile, ohne einen bösen Blick. Weißt du, dass aus meiner Wut und meiner Trauer Verständnis für dich geworden ist? Weißt du, dass ich anfange dich zu verteidigen? Weißt du, dass ich mir so oft wünsche, dass du einfach vor meiner Tür stehst, mich in den Arm nimmst und einfach da bist? Weißt du, dass ich mir Sekunden später eingestehen muss, dass ich das doch nicht will und du mir diesen Wunsch nie erfüllen wirst. Weißt du, dass das Kalinchen mir so sehr ähnelt, dass sie mich oft nach dir fragt, dass ich nicht weiss was ich ihr sagen soll?
Weißt du, dass ich oft das Gefühl habe, an unserer Geschichte kaputt zu gehen? Weißt du, wie ich aussehe? Wie ich rieche? Was ich gerne mache? Was ich gerne esse? Welche Musik ich mag? Was mich glücklich macht? Was mich traurig macht? Du weißt nichts.
Nichts.
Und doch habe ich Verständnis, für dich, deine Art und dein Versagen. Für diesen Gedanken hab ich Jahre gebraucht. Du bist narzisstisch und dir geht es nur um Erfolg. Du hast nie die Liebe bekommen, die ich in meiner Kindheit durch meine Mama und meinen anderen Papa erfahren durfte. Du konntest nicht zu deiner Mutter ins Bett krabbeln, wenn du schlecht geträumt hast. Dir fehlt es an Liebe. Mir konntest du sie nie geben, nie hast du mir das Gefühl gegeben, dass du dich freust, dass ich da bin. Weißt du, Mama sagt mir fast jeden Tag wie sehr sie mich liebt und wie sehr sie sich freut, dass ich da bin. Und auch ich sage das dem kleinen großen Mädchen. Jeden Morgen, jeden Abend und jede Nacht, wenn ich an ihrem Bett stehe und dankbar bin.
Du tust mir Leid. Du wirst nie sehen, was wir alles erreichen werden. Du hast nicht gesehen, was ich schon hinter mir habe. Du weißt erst seit dem Prozess was ich studiere, wie ich lebe und was ich bin.
Ich weiss nicht woran es liegt, dass alles so gekommen ist. Ich habe lange bei mir selbst nach einer Antwort gesucht. Du wolltest mich nie und dafür soll ich jetzt bezahlen. Ich bin dankbar, dass es Menschen gibt, die mich wollten und auch heute noch wollen. Die mich auffangen, die mit mir lachen und weinen, die mich bestärken und mir Kraft geben, die einfach da sind.
Du fehlst mir. Und du fehlst mir nicht. Du bist ein Teil meines Lebens, wirst immer ein Teil meines Lebens sein. Ich bin dir in einigen Dingen sehr ähnlich. Oft schäme ich mich für negative Eigenschaften von denen ich weiss, dass sie etwas mit dir und mir zu tun haben.
Viele schlaue Menschen sagen, dass ich dich nicht mehr als sozialen Vater sehen soll, viel mehr soll ich nur meinen biologischen Erzeuger in dir sehen. Und da ist was dran. Meinen sozialen Vater habe ich gefunden und das bedeutet mir sehr viel. Er ist der Opa, den das Kalinchen so sehr braucht.
Du hast mich im Stich gelassen. Du hast mich verletzt und klein gemacht.
M.
Mama. Ich bin glücklich dich als meine Mama zu haben. Du bist mein Halt, mein Lachen.
2 comments
Herzergreifender Text! Schön, dass Du für Deine Gefühle Worte gefunden hast!! Viele Grüsse! Claudia
Danke! Manchmal kommt es so aus mir raus…