„Warum nimmst du ihn denn jetzt schon wieder hoch? Hat er nicht gerade erst gestillt? Lass ihn doch einfach mal schreien. Der ist aber verwöhnt.“ Ich atme tief ein. Im Café sitzt eine frischgebackene Mama mit ihrer Mutter. Ich sehe ihr den Schlafmangel, die Sorgen und Gedanken einer Mama und auch die Angst vor dem Versagen an. Und tief in mir brodelt es, denn man kann Babys nicht verwöhnen.
Nach meiner ersten Geburt wusste ich nicht so recht, wie das mit dem Mamasein so richtig abläuft. Ich versuchte auf meinen Bauch und meine Intuition zu hören und gab meiner Tochter all das, was ich für nötig hielt. Nähe, viel Körperkontakt und doch war die Nähe eine Andere, als sie es heute zum kleinen Knirps ist. In meiner Babygruppe gab es Ratschläge, die ich unwissend und naiv wie ich damals war, annahm, umsetzte und mein Bauchgefühl war dahin. Ich achtete penibel auf genaue Zeiten, versuchte sie nachts im Liegen zu beruhigen und wollte aus ihr kein verwöhntes Baby machen. Nach 10 Monaten etwa ließ ich all diese Ratschläge abprasseln und hörte endlich wieder auf meinen Bauch. Ich trug mein großes Mädchen nachts stundenlang durch die Wohnung, beruhigte und war einfach da.
Warum man Babys nicht verwöhnen kann
Wenn wir eins als Mütter tief in uns haben, ist es das Gefühl von unendlicher Liebe. Von Geborgenheit und von Nähe. 40 Wochen teilen wir unseren Körper mit unserem Baby. Sind Tag und Nacht zusammen, spüren uns gegenseitig und die Liebe wächst an jedem Tag. Nach der Geburt soll das plötzlich anders sein? Da sollen Babys an Zeitpläne gewöhnt werden? Sie sollen lernen sich selbst zu beruhigen und auf Körperkontakt verzichten? Nein. Denn das ist gegen die Natur des Menschen. Babys sind Traglinge, müssen geschützt werden und der Urinstinkt muss befriedigt werden. Dazu gehört das Stillen nach Bedarf, ja auch nachts, das viele Tragen und Kuscheln und das nicht Schreien lassen.
Babys brauchen Schutz und das Gefühl nicht alleine zu sein. Die viele Körpernähe, gerade in den ersten Tagen nach der Geburt, führt zu Vertrauen und dem Gefühl der Geborgenheit. Ich glaube fest daran, dass viel Nähe unseren Kindern ein wärmeres Gefühl gibt. Dass sie sich sicher fühlen, ihren Platz finden und geborgen leben können.
Mit dem zweiten Baby ist alles anders
Mit meinem Sohn ist vieles inniger, intuitiver und endlich höre ich auf meinen Bauch. Wir tragen vom ersten Tag an, waren noch nie länger als eine Stunde voneinander getrennt, stillen nach Bedarf und tauschen sehr viel Nähe aus. Wenn er weint, versuche ich das Weinen zu deuten, es nicht zu ignorieren. Mit dem zweiten Kind weiss ich auch, dass er nicht absichtlich weint, mich nicht „im Griff hat“ und sein Weinen einen Grund hat.
Und als ich so nachdenke und die Mutter weiter beobachte , meinen Sohn stille und an die letzten Jahr als Mutter denke, fällt mir auf, dass sich die Mutterschaft verändert hat. Dass immer mehr Familien auf ihren Bauch hören und doch ist dieser Weg nicht überall angekommen. Am liebsten würde ich in ihren Kopf klettern, ihr versichern, dass sie alles richtig macht und das Bauchgefühle eigentlich ziemlich oft recht haben. Dass sie ihr Baby nicht verwöhnt, dass Liebe, Geborgenheit und Nähe nichts kosten und tief in uns in unendlicher Masse vorhanden sind und dass es uns als Müttern trotzdem manchmal zu viel ist. Dass wir erschöpft sind, denn eins ist klar: dieser Weg ist der anstrengendere. Wir beobachten unsere Kinder, versuchen sie zu lesen und ihr Handeln zu deuten. Wir versuchen auf das Handeln zu reagieren und die kleine Lebenswelt zu verstehen.
Hört auf euren Bauch, stillt öffentlich, so oft, wie ihr wollt und rollt mit den Augen, wenn euch jemand etwas anderes auf die Nase binden möchte. Kennt ihr solche Situationen? Ist euch so etwas schonmal passiert?
frauraufuss
3 comments
Liebe Märry,
ich lese deinen Blog schon eine Weile und mich hat es immer berührt, wie du über das Muttersein mit seinen Höhen und Tiefen schreibst. Ich bin selbst noch keine Mutter, aber ich wünsche mir Kinder. In meinem Umfeld sind viele Frauen, die kleine Kinder haben. Der Großteil davon ist immer viel gestresst. Ich bin überzeugt davon, dass sich das auf die Kinder übertragen kann. Ich hoffe, dass ich eines Tages die Kraft haben werde (überwiegend) entspannt zu sein bzw. ruhig zu bleiben. Das hat mich selbst als Kind bei meinem Vater immer sehr geerdet.
Liebe Grüße,
Lena
Liebe Frauraufuß,
ich danke dir als zweifach Mama für diesen wundervollen Beitrag und leider leider kenne auch ich Situationen, wie du sie beschreibst. Umso mehr freue ich mich, wenn Mütter wie du, sich zutrauen ihren Kindern genau das zu geben, was ihnen ihr bauchgefühlt sagt, genau darauf kommt es an. Hinter allem was wir Mütter sollten oder lassen sollten steht immer eine Norm, die einem Anderen gehört und selten etwas damit zu tun hat, was wir oder unsere Kinder gerade wirklich brauchen. Ich glaube auch, dass es in Zeiten, in denen immer mehr Menschen psychisch erkranken und deren Ursache in der Kindheit gefunden wird, wir genau das nur so heilen können, indem wir unseren Kindern das geben, was so viele Erwachsene schwer vermissen. Liebe und Bestätigung das jeder gut ist genau so wie er ist und das er zu jeder Tageszeit und egal wie er sich verhalten hat die Liebe seiner Eltern verdient. Ganz lieben Dank
Wenn du magst schau doch gerne auch mal auf unserer Seite rein, vielleicht findet sich das ein oder andere Thema dort auch für dich.
ich grüße dich von Herzen
Michéle
https://mitohnemaske.de
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