Als ich Samstagmorgen aufwache, liegt niemand neben mir. Ganz heimlich sind Kind und Mann verschwunden und ich höre nur das Flüstern ihrer Stimmen im Flur. Und plötzlich höre ich, wie der blonde Wirbelwind dicke Tränen weint und sich ganz schlimm fühlt. Der Mann kommt zurück ins Schlafzimmer und hinter ihm versteckt sich das blonde Mädchen. „Mama, die Kita hat den Muttertag vergessen und ich habe gar kein Geschenk für dich. Ich bin so traurig. Basteln mag ich auch nicht mehr, das ist ja nichts Besonderes für dich.“ Ich setze mich auf, breite meine Arme aus und drücke meine große Tochter ganz fest. Warum ich jeden Tag Muttertag habe?
Ich weiss gar nicht, wann dieser übertriebene Hype angefangen hat. In meiner Kindheit haben wir einfach den Tisch gedeckt, ein Bild gemalt und meine Mama hat ihrer Mutter einen Blumenstrauss geschenkt. Keine großen Geschenke, kein Brimborium und keine übertriebenen Gesten. Wenn wir unsere Mama fragen, was sie sich denn wünschen würde, kommt bis heute ein und derselbe Spruch: „Liebe Kinder.“ Nach über 20 Jahren muss ich mittlerweile schmunzeln und verstehe diesen Spruch mehr und mehr. Und auch wenn ich mich im letzten Jahr unglaublich über einen selbstgebastelten Fotorahmen mit Foto des Kindes gefreut habe, bin ich überhaupt nicht traurig, dass ich dieses Jahr nichts bekommen habe. Denn ich habe jeden Tag Muttertag.
Warum ich jeden Tag Muttertag habe.
Wenn ich morgens aufstehe, durch den Flur laufe und die kleinen Schuhe des Kindes sehe, dann bin ich glücklich. Denn wenige Meter später liegt ein blondes Mädchen, dass jeden Morgen nach dem Aufstehen lächelt und mit großen Augen strahlt. Dass morgens gerne eine Runde extra kuschelt und mich dabei ganz feste im Arm hält. Die Liebe zwischen uns wächst von Tag zu Tag und wird niemals enden.
Wenn ich mittags in die Kita komme, rennt ein wuscheliges Kind quer durch den Raum, springt auf meinen Arm und kuschelt sich sofort ein. „Mama, schön, dass du endlich da bist.“ Vor dem Schlafengehen kuscheln wir uns wieder ein, lesen, besprechen den Tag und überlegen, was heute richtig gut und richtig doof war. Und jeden Abend bin ich glücklich und dankbar.
Mutterschaft ist für mich mehr als ein Geschenk an einem Sonntag im Jahr. Natürlich freue ich mich, wenn Mann und Kind mich ein wenig feiern. Aber viel mehr freue ich mich darüber, dass mein Kind in der Kita erzählt, dass es die witzigste und coolste Mama hat, denn die macht ganz oft Quatsch, auch wenn sie schimpft. Ich freue mich, dass der Mann mich in der Erziehung und unserem gemeinsamen Leben unterstützt. Denn ich weiss, dass ist nicht selbstverständlich. Ich sehe uns als Team, wobei ich den größeren Teil der Erziehung des alltäglichen Lebens organisiere und meistere.
Worüber ich mich auch freue?
Darüber, dass der blonde Wirbelwind staubsaugt während ich die Küche aufräume und Wäsche wasche. Warum sie das tut? Wenn der Haushalt fertig ist, haben wir mehr Zeit für gemeinsame Zeit.
Über kleine Liebesbriefe, die ich fleißig an unserer Pinnwand sammle und bestimmt in 20 Jahren nochmal auspacken werde.
Über unser gemeinsames Leben. Schon oft habe ich darüber nachgedacht, wie sehr ich die Mutterschaft als Privileg sehe und genau deshalb ist jeder Tag ein Muttertag. Denn ich bin ja schließlich jeden Tag Mutter. Mit allen Höhen, allen Tiefen und allen neuen Erfahrungen.
Ich mag dieses Mamasein, mehr denn je. Und es wächst. Jeden Tag ein Stück mehr. Und genau das erzähle ich dem Kalinchen. Ihre Tränen werden trocken, ihr Gesicht wird wieder fröhlicher und sie ist ein kleines bisschen Stolz. “Mama, ich bin auch gerne deine Tochter.”
frauraufuss
5 comments
Total toller Text!
Danke Dir!
Wunderschöne Worte ❤️ du hast so Recht.
Danke dir <3
Wie immer tolle Worte! <3 und wie immer kann ich den Text nicht ohne Tränen in den Augen lesen… keine Ahnung, aber deine Texte berühren mich jedesmal unglaublich… ich kann es so gut nachfühlen.