Kurz nach Weihnachten kommt eine Nachricht, die unsere Stimmung nach den festlichen Tagen trübt. Eine Nachricht, die uns als Eltern fordert und uns an Grenzen bringt. Paschi, der Hund der weltbesten Nachbarn wird seine letzte Reise antreten. Wir sitzen beim Frühstück, der Mann stockt, atmet tief und von jetzt auf gleich ist es da, dieses Gefühl. Bis jetzt war das Thema Tod immer mal wieder ein Thema, doch niemals mussten wir uns so deutlich damit auseinandersetzen. Schnell ist uns klar, dass wir ihr alles genau erklären und sie über alle Details aufklären werden. Denn ich bin fest davon überzeugt, dass nichts schlimmer ist, als Kindern nicht die Wahrheit zu sagen. Mit Kindern über das Sterben sprechen, alles andere als einfach.
“Ähm, Kalinchen. Wir müssen mit dir reden. Paschi wird heute seine letzte Reise antreten und in den Himmel gehen. Er wird sterben und dann nicht mehr da sein.” Als herrraufuss diese Worte ausspricht, kullern mir die Tränen über das Gesicht. Paschi gehört einfach zu unseren Nachbarn und es ist schon komisch, dass er heute Abend nicht mehr da sein wird. (Ich weiss, dass es sich um einen Hund handelt, trotzdem bleibt der Tod, Tod.) Große braune Augen schauen mich an: “Mama, warum weinst du denn?” Ich erkläre ihr, dass ich traurig bin, denn wir werden ihn nie wiedersehen und auch unsere Nachbarn werden schrecklich traurig sein und sich alleine fühlen. Das Kind hüpft aus der Küche und für kurze Zeit scheint das Thema wieder egal zu sein. Mittags stehen wir im Bad und ich merke ganz deutlich, dass ihr kleiner Kopf unglaublich arbeitet und sich Gedanken macht. “Warum geht er denn heute. Woher weißt du das? Warum kann er nicht noch ein bisschen bei uns bleiben und später sterben?” Ich bin überfordert. Soll ich ihr wirklich die ganze Wahrheit sagen? Der Mann kommt mir zu Hilfe, kniet sich neben das Kalinchen und erklärt ihr alles. Jedes Detail. Dass Paschi ganz große Schmerzen hat, dass er nicht sagen kann, dass es ihm wehtut. Dass er ein unglaublich langes Leben hatte und, dass er eine Spritze bekommt, die ihn einschlafen lässt. Aber so, dass er nicht mehr aufwacht.
Und dann spricht er mit ihr über Sterbehilfe. Darüber, dass es in einigen Ländern erlaubt ist, Leben zu beenden, wenn man krank ist und der Körper nicht mehr leben kann. Dieser Moment im Badezimmer ist einer der Momente, in dem ich so dankbar für ihn bin. Dankbar für seine offene Art und seinen Mut. Denn hier wohnt jetzt eine fünfjährige, die genau weiß was einschläfern bedeutet. Die weiss, dass es manchmal besser ist, wenn Menschen und Tiere gehen. Die fest daran glaubt, dass Paschi im Himmel auf uns aufpasst und meinen Opa als Freund haben wird. Die ganz heimlich etwas zu Gott gesagt hat und sich so sehr wünscht, dass es ihm dort oben bessergeht.
Als Paschi mittags seine letzte Reise antritt, sind wir sehr traurig. Doch was uns allen, auch unseren Nachbarn, sehr hilft ist ihre Art mit dem Tod umzugehen. Sie versucht die Beiden aufzumuntern, hat ihnen erklärt, dass er jetzt auf einer Wolke sitzt und wir ihn zwar vermissen, es aber nicht ändern können. Diese Unbeschwertheit von Kindern kann uns Erwachsenen unglaublich helfen.
Tage später denke ich über diesen Tag nach. War es richtig so offen zu sprechen? Hätten wir sie nicht schützen müssen? Ich glaube wir haben es genau richtig gemacht. Wir haben alle ihre Fragen vernünftig beantwortet und ihren Wissensdurst gestillt. Der Tod gehört zum Leben dazu und ich glaube, je “normaler” wir damit umgehen, desto einfacher ist das Verarbeiten für sie. Wir können unsere Kinder nicht vor allen unschönen und komplizierten Situationen im Leben schützen. Das Leben spielt manchmal nicht so, wie wir es wünschen. Aber was wir daraus machen, ist unser Ding. Und so bin ich weiterhin davon überzeugt, dass ein offenes Umgehen mit schönen und schlimmen Dingen, der vernünftigste Weg für ein gutes Aufwachsen ist.
Was denkt ihr darüber? Habt ihr mit euren Kindern offen über das Thema “Sterben” gesprochen?
frauraufuss
13 comments
Bei uns war der erste “Kontakt” zum Thema als der Bruder der Patentante gestorben ist. Er war schwer krank und hatte einen kurzen, aber sehr schlimmen Leidensweg. Der Große war da etwa 4,5 Jahre alt und hatte viele Fragen. Ihn hat es aber beispielsweise sehr beruhigt, dass der Bruder nun im Himmel ist und bei seinem Vater beerdigt wurde. Im Kindergottesdienst war es auch mal Thema, der Gottesdienst hat auf dem Friedhof stattgefunden. Generell ist es aber relativ wenig Thema hier, es kamen mal Fragen, ob Kinder auch sterben könnten. In engeren Umfeld der Kinder ist aber in dem Alter Eures Kalinchens bisher niemand gestorben, nicht so, wie eben Euer Nachbarshund. Das akute steht uns also noch bevor. Ich teile Euren Ansatz, also Kindern die Wahrheit kindgerecht zu vermitteln. Wir standen vor einem halben Jahr davor, aber “nur” beim Großen. Den hat der Tod und besonders die Umstände in dem Fall (Suizid und nein, wir haben ihm das nicht erzählt) haben ihn sehr belastet, er ist uns auch ein Wochenende wirklich zusammen geklappt. Noch heute denkt er daran und versteht es trotz stundenlanger Gespräche nicht. Neulich gab es in der Kirche Teelichte, die man für jemanden anzünden sollte, der traurig sei. Erst fiel ihm niemand ein, dann wollte er es für diese Verstorbene anzünden, weil sie doch so traurig war.
Liebe Frau Raufuss,
Das Thema hatten wir hier auch, als unsere Töchter 4 und 5 waren. Da starb unsere Nachbarin , sie war im Großmutteralter und wurde von unserem Nachbarn gepflegt, erst zu Hause, gegen Ende im Hospiz. Die Gespräche die die Mädchen mit unserem Nachbarn führten waren mir echt peinlich.
Es ging beispielsweise darum, was ein schönes Grab sei. Deshalb zogen die drei los, und besuchten Friedhöfe und diskutieren, was schön und was weniger schön an einem Grab und an einer Erd- bzw Feuerbestattung ist.
Jahre später (die Mädchen sind jetzt 22 und 23) erzählte mir der Nachbar, dass diese die besten Gespräche während seiner Trauer waren, weil die beiden so ungehemmt waren.
Hast Du schon von dem Buch ‚Gehört das so??!‘ gehört?
Liebe Grüße, Uta
Ihr Lieben,
man sollte Kindern immer die Wahrheit sagen. Dabei kann man ihnen die Dinge so erklären, dass sie es verstehen und die Angst nehmen. Mein Großer (5) fragt noch nicht viel nach Details. Es ist unglaublich, wieviel er sich aber schon merkt. Oft kommt er Wochen später erst auf das Thema zurück und weiss alles, was wir mit ihm besprochen haben. Ihr macht das gut so.
LG Christiane
Mein Großer wird bald 3. Auf dem Weg zum Kindergarten haben wir einmal eine tote Maus gefunden. Ich erklärte ihm, dass sie für immer eingeschlafen ist und nicht mehr aufwachen wird. Seine Fragen habe ich ihm auch beantwortet. Gott sei Dank hatten wir noch nicht näher damit zu tun, aber ich möchte ganz offen mit ihm umgehen. Das schlimmste für Kinder ist glaube ich, wenn sie von der Trauer “ausgeschlossen” werden. Meine Söhne haben noch einige Urgroßeltern, die wohl im Laufe ihrer Kindheit versterben werden. Ich hoffe, dass ich sie dabei gut begleiten kann.
Ich finde es ganz grandios, wie ihr das gemacht habt! Aus fachlicher und persönlicher Sicht! Ein großes Lob. Das Kalinchen geht geliebt und gestärkt durch ganz viel Wissen und Liebe durch das Leben. Das ist so schön zu lesen.
Ganz liebe Grüße an euch!
Oh danke. Dieser Kommentar tut so gut und lässt mein Herz gerade hüpfen!
Leider wird das Thema bei uns gerade aktuell – den Tod vom Uropa hat die Große noch nicht so richtig mitbekommen, aber auch da haben wir alle Fragen erklärt. Nun müssen wir sie darauf vorbereiten dass Oma bald nicht mehr da ist (letzte Woche wurde Krebs der gestreut hat festgestellt). Das ist alles sehr schwierig. Ich hab mir jetzt mal das Buch “Nie mehr Wolken gucken mit Opa” vom Kindergarten ausgeliehen und muss das Thema nun angehen. Auch wenn uns keiner sagen kann ob es noch Tage oder Wochen sind :-( Aber wie ich meine kenne wollen sie auch alles genau wissen und viele Fragen stellen.
Ich wünsche euch viel Kraft für die harte Zeit.
Alles richtig gemacht, Familie raufuss!
Ich bin absolute Verfechterin, Kindern die Wahrheit zu sagen. Die Trauer und die Tränen gehören zum Leben dazu. Hier war der Tod leider schon mehrfach Thema, beide Großväter sind gestorben. Weiterhin alles Gute für Euch!
Liebe Tanja! Die Wahrheit ist manchmal zwar schlimmer und schmerzhafter, für das weitere Leben aber wesentlich besser…
Der Hund meiner Mutter ist leider vor 1,5 Wochen auch überraschend gestorben. Unsere kleine 2,5 jährige hat ihn geliebt..Sie ist immer mit ihm spazieren gegangen und hat ihn gefüttert. Wir haben ihr auch erklärt das er jetzt im Himmel ist und mit vielen Hunden spielen kann. Sie hat gefragt wie er jetzt gefüttert ist, daraufhin haben wir ihr gesagt das er sein Futter mitgenommen hat. Vor ein paar Tagen hat sie dann vor dem Mittagsschlaf zu mir gesagt, hoffentlich geht ihm bald das Futter aus, dann muss er wiederkommen, weil wir haben eins… Ich glaube sie hat es so gut es für ihr Alter möglich ist und hofft einfach trotzdem weiter das er zurück kommt. Wenn Sie manchmal nach ihm fragt, erkläre ich es ihr immer wieder und sie erklärt es ihrer kleinen Schwester (11Monate) mittlerweile wenn diese “wauwau” sagt auch ganz herzzerreißend. Manchmal sagt sie zu mir das sie deswegen traurig ist, freut sich aber auch schon da die Oma schon bald wieder einen Hund will.
Hallo Anna! Das klingt ziemlich traurig. Ich hoffe die Zeit wird euch allen helfen!
Hallo, wir hatten das Thema mit unserem Sohn da war er 3 1/2 Jahre, als ein guter Bekannter unserer Familie überraschend verstorben ist. Meine größte Sorge war: wie erkläre ich ihm das? Also rief ich meine bekannte Hypnose-Therapeutin an und die machte einen Blog-Beitrag daraus (Link anbei). Und wie Du siehst habt ihr genau richtig gehandelt. Das Beste ist Kindern immer eine Antwort zu geben die kindgerecht ist und am besten nie mehr erklären als sie auch fragen. Liebe Grüße
http://www.ankeprecht.de/wie-erklaere-ich-meinem-kind-den-tod/