Situationen, die selbst uns Eltern überfordern kennen wir alle. Wir wissen dann nicht, was wir sagen sollen und wie wir etwas sagen sollen. Egal ob es um die Trennung der Eltern, den Verlust eines geliebten Menschen oder Krieg und Terror geht, schwierige Situationen brauchen Feingefühl. Wie man richtig mit Kindern reden soll? Ich kann es nicht sagen. Denn, den richtigen Weg gibt es fast nie, es gibt immer nur viele verschiedene Möglichkeiten.
Möglichkeit 1: Um den heißen Brei drumherum reden.
Find ich doof. Ernsthaft. Wir sollen unserem Kind etwas erklären, es über etwas aufklären und bringen das Problem nicht auf den Punkt. Wenn ich mich in die Position des Kindes hineinversetze, dann fühle ich mich belogen und nicht Ernst genommen. Und außerdem sollen Kinder von ihren Eltern lernen, dass funktioniert aber nur, wenn es auch etwas zu lernen gibt. Im schlimmsten Fall kopiert meine Tochter mein Verhalten und wird später auch um den heißen Brei reden und Probleme nicht ansprechen.
Möglichkeit 2: Du bist noch zu klein.
Find ich auch doof. Denn nichts ist schlimmer als dieser Satz. Wie muss sich ein Kind fühlen, wenn die Eltern immer und immer wieder Probleme ausgrenzen? Natürlich sind Kinder noch keine Erwachsene, dennoch sollten sie Ernst genommen werden. Altersentsprechende Kommunikation ist auch in schwierigen Situationen angebracht und wichtig. Kinder sind sehr feinfühlig und merken sofort, wenn Situationen komisch sind. Bevor sich das Kind ein eigenes, wohlmöglich falsches Bild, aufbaut, sollten wir Eltern die Situation erklären.
Möglichkeit 3: Die Raufuss-Methode
Natürlich weiss ich, dass es den richtigen Weg und die richtige Methode nicht gibt und es immer auf die Situation ankommt. Schon früh haben wir angefangen mit dem Kalinchen über wichtige und relevante Themen zu sprechen. Warum sterben Menschen? Warum wohnen sie im Himmel? Warum bekommen Menschen Babys? Warum trennen sich Eltern? Warum gibt es Krieg auf der Welt? Ich habe immer versucht die Antworten kindgerecht zu verpacken und meine Tochter als vollständiges Wesen mit Bedürfnissen wahrzunehmen. Ihr Wissensdurst ist unglaublich und ein Abschmettern ihrer Gedanken fände ich unglaublich schrecklich.
So erklären wir ihr, dass Menschen, wenn sie alt oder krank sind ihren Platz auf der Welt verlassen müssen und als Engel in den Himmel kommen. Sie ist davon überzeugt, dass man die Menschen dann noch lieb haben muss, denn sie sind ja noch da. Eben nicht auf der Erde, aber im Himmel.
Sie weiss, dass sich Eltern ganz dolle lieb haben müssen, um ein Baby zu bekommen. Man kann sich zwar ein Baby wünschen, ob das aber alles so klappt, dass liegt nicht in der Hand von uns Menschen. Ich vermute, dass diese Erklärung ab jetzt nicht mehr reicht und wir uns bald darauf einstellen, dass die Fragen deutlicher und tiefer werden. Und dann werden wir mit ihr sprechen, ohne albernen Quatsch und peinliche Begriffserklärungen. Ich hatte eine Mitschülerin, die jedesmal rot wurde, wenn sie die Genitalien im Unterricht benennen musste. Ein klassischer Fall: Eltern sind selber überfordert und können nicht gut mit ihren Kindern reden.
Warum trennen sich Eltern? Weil Eltern auch manchmal streiten. Weil Streit doof ist und unglaublich anstrengend. Eine Trennung heißt ja nicht, dass man sich nicht mehr lieb hat. Es heißt nur, dass Mama und Papa nicht mehr ein Paar sein wollen. Eine Familie ist man trotzdem noch, nur eben ein bisschen anders und oft viel größer.
Warum gibt es Krieg und Terror? Weil es Menschen gibt, die sich nicht an Regeln halten können. Die sind sauer und haben andere Meinungen und wollen andere wiederum ärgern. Egal ob sich dabei jemand verletzt oder sogar sterben muss. Am Wochenende haben wir über den G20-Gipfel und die Demonstranten gesprochen. “Mama, was ist ein Demonstrant?” Das Kalinchen weiss jetzt, dass Demos manchmal total wichtig und sinnvoll sind, dass unsere Chefin in Deutschland so weiss, wie wir anderen etwas finden. Sie weiss aber auch, dass es da Menschen gibt, die maßlos übertreiben und absoulte Spinner sind.
Mit Kindern reden ist wichtig und gehört meiner Meinung nach zu den wichtigsten Aufgaben von uns Eltern. Nur so können wir sie auf das Leben vorbereiten. Probleme nicht anzusprechen, auszuweichen oder ständig zu verschieben ist einfach nicht sinnvoll. Natürlich gibt es Situationen, in denen auch wir Notlügen benutzen. Auch bei uns kommt der Osterhase, der Nikolaus und zu Weihnachten besucht uns das Christkind. Dieser Teil der Kindheit ist wichtig und ich wäre sehr traurig, wenn wir ihr diesen Zauber nicht ermöglichen könnten. Wenn die Zeit reif ist, dann werden wir das Gespräch suchen und sie aufklären.
Wie macht ihr das? Findet ihr es wichtig mit euren Kindern über alles zu reden?
frauraufuss
11 comments
Hi, ein gutes und wichtiges Thema. Unsere gucken seit einigen Monaten die Logo Kindernachrichten, da bin ich faul und es nimmt uns Erklärungen ab, ich finde deren Erklärungen nämlich sehr gut und kindgerecht. Ansonsten beschreiten wir ziemlich Euren Weg, aber ich muss zugeben, dass icj dabei auch mal an meine Grenzen stosse. Die Anlässe kann man sich nicht aussuchen, erst nach dem Terroranschlag in Brüssel, weil sie es eben zum teil miterlebt haben bzw. selbst Folgen gespürt haben und dann aus aktuellem Anlass Suizid. Oft kann man es selbst kaum erklären, zumindest geht es mir so, dass ich die große Frage nach dem “Warum” oft eben auch nicht für den Großen ausreichend erklären kann.
Liebe Grüße
PS: darf ich das Thema auch bald mal verbloggen? also mit Hinweis auf Dich und natürlich meine eigenen Gedanken?
Klar darfst du. Das mit den Grenzen verstehe ich und würde es dann auch so kommunizieren. Es ist doch nichts dabei wenn deine Kinder lernen, dass auch Mama nicht alles erklären kann. Meine Tochter weiss das ganz genau und für sie ist das dann ok und ermutigt sie anders darüber zu denken…
Ja es ist wichtig mit Kindern über alles zu reden. Und wir benennen die Dinge beim Namen, ohne drumherum zu reden. Wie du schon geschrieben hast, erklären wir die Dinge mit einfachen Begriffen. Bisher ist das für den Großen immer gut so gewesen. Und wenn ich mal was nicht weiß, dann sage ich das auch so. Ich nutze die Gelegenheit auch so, den Jungs viel zu erklären, auch ohne dass sie fragen.
Liebe Frau Raufuss,
das Thema ist bei uns auch gerade aktuell, da das Löwenmädchen inzwischen bemerkt, dass ihr großer Bruder “anders” ist als sie. Ich rede da auch nicht um den heißen Brei herum, schließlich sollen und müssen beide ja auch vorbereitet sein, wenn sie mal von Außenstehenden auf die Behinderung des Löwenjungen angesprochen werden – das Thema steht auch auf meiner Blogpostliste, ich werde dann gerne auf deinen Artikel verweisen!
Eine andere Frage, die das Löwenmädchen gerade beschäftigt: “Mama, gibt es böse Menschen in echt?” – ich beantworte diese Frage mit “Ja, aber zum Glück nur sehr selten.”
Ich finde es ganz wichtig auch unschöne Dinge anzusprechen. Sonst sind unsere Kind doch total verwirrt wenn mal etwas schlimmes passiert…
Hallo, ich bin über Denise’ Link hier gelandet und hatte bei ihr auch schon kommentiert … ich finde es auch ganz wichtig, Fragen so offen und ehrlich zu beantworten, wie Kind und Situation es verlangen. Ich kann mich noch erinnern, wie ich mit meiner damals dreieinhalbjährigen Tochter am 1.12. über den Weihnachtsmarkt lief und die AIDS-Hilfe dort aus brennenden Kerzen eine AIDS-Schleife aufgestellt hatten und sie NATÜRLICH wissen wollte, wer die sind, was die machen und was das soll. Hm, ja, AIDS kindgerecht erklären … ist mir vermutlich irgendwie gelungen ohne “da bist Du noch zu klein für”, ob und was sie verstanden hat, weiß ich allerdings nicht so richtig. Ähnlich ging’s uns neulich beim Anblick eines verdi-Infostandes. Schwierig finde ich aber solche “Glaubenskonflikte”. Wir sind nicht gläubig, eine ihrer Freundinnen aber schon und so fragte sie uns neulich – in den Himmel starrend – wie das denn nun eigentlich ist, mit den Toten. Wo sind die denn? L. habe gesagt, die sind im Himmel, sie sieht sie aber nirgends. Wir hätten gesagt, die seien auf dem Friedhof. Dort habe sie aber auch noch nie einen gesehen … Ich hab’s ganz gut erklärt glaube ich, hatte aber auch Bauchschmerzen bei dem Gedanken, dass sie nun zu L. gehen könnte und ihr sagt, dass das scheinbar doch alles anders ist, als ihre Eltern ihr das erklärt haben. Und gleichzeitig würde ich nicht wollen, dass andere ihr was vom Himmel erzählen … ach, alles kompliziert.
Ein sehr schwieriges Thema.. meine Kleine ist bald erst zwei und bisher bin ich noch ungeübt.. möchte ihr aber auch ehrliche Antworten geben, da ich mir diese als Kind selbst oft gewünscht hätte. Da wurden Fragen aber bloß abgetan mit Sprüchen wie “das ist noch nichts für dich”.
Ich glaube das Alles zu erklären ist schwierig, weil häufig die Antworten fehlen.
Ich selbst verstehe nicht, wieso Menschen Terror anschläge verüben..
Aber ich glaube es hilft auch schon das zu kommunizieren.. das man es selbst nicht versteht.. und wie man sich dabei fühlt.
Ich möchte das meine Tochter fragen stellt, wissensdurstig ist und Dinge skeptisch sieht. Verschiedenes kennen lernt und sich eine eigene Meinung bildet.
Ich hoffe das mir da immer oder zumindest meistens kindgerechte Erklärungen einfallen
Und zum Thema Glauben.. denke da würde ich auch einfach kommunizieren, dass es verschiedene Religionen gibt und diese unterschiedliche Vorstellungen vom Tod haben.
Unabhängig davon ob und woran man selbst glaubt, ist es denke ich wichtig den Kindern mitzugeben, dass andere Ansichten nicht falsch sind.. bloß anders.
Und in einem Trauerfall kann es ja vielleicht sogar die Vorstellung trösten, den Verstorbenen im Himmel wiederzusehen und wird so zu etwas positiven.
Heihei,
ich habe deinen Blog gerade durch Zufall gefunden und bin über diesen Artikel gestolpert. Was für ein Glück, dass ich nicht die Einzige bin, die die Raufuss-Methode anwendet :). Kindgerechte ehrliche Antworten sind das allerwichtigste.
Dein Blog ist jetzt auf jeden Fall in meiner Leseliste abgespeichert!
Liebe Grüße
Hallo Andrea! Danke, das freut mich sehr!
Hallo, unsere Tochter ist für derlei Fragen noch zu klei, 8 Monate, aber ich würde vernünftig mit ihr reden und versuchen , es ihr kindgerecht zu erklären. Denn ich glaube, sonst entsteht Unsicherheit bei ihr und Angst.Gerade sind wir in der Situation gewesen, über Tod und Sterben zu sprechen und mein Mann und ich waren uns ungefragt einig, ihr das nicht vorenthalten zu wollen, sondern sie auch jetzt schon in das Zimmer der m Sterben liegenden Uroma mitzunehmen. Ich glaube , Berührungsängste zu schüren ist falsch. So hat sie Uroma als schlafend gesehen.
Liebe Anja,
gerade du gehst so wundervoll mit dem Tod um und hast mir damals so viel Angst genommen. Ich glaube ihr macht das genau richtig!