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Zeitreise. Frauraufuss 2011. Ich sitze im zweiten Semester in der Uni. Vom Lehramt hatte ich mich für einen kleinen Umweg verabschiedet und bin fest davon überzeugt, als Pädagogin etwas sinnvolles für die Gesellschaft zu leisten. Zum ersten Mal in meinem Leben setze ich mich mit dem Thema Inklusion auseinander. Wir sprechen viel über die UN-Behindertenrechtskonvention, das Übereinkommen von 2008 ist noch recht frisch und niemand weiss so recht, wie der Weg aussehen wird. Wir alle sind davon überzeugt, dass sich etwas ändern muss, dass der Weg steinig werden wird aber die Voraussetzungen endlich gegeben sind. Wenn ich heute könnte, würde ich mich an diesen Ort zurückschicken, mit einem traurigen Blick in die Augen meiner Kommilitonen schauen und über das hier und jetzt den Kopf schütteln.
Inklusion. Aber wir sind doch alle Menschen.
Es ist 2019. Mittlerweile habe ich die Hoffnung auf eine sinnvolle Umsetzung von Inklusion fast verloren. Egal mit wem ich über Inklusion spreche, mit Lehrern, Pädagogen oder betroffenen Familien, überall sehe ich diesen traurigen Blick. Ich sehe Überforderung, Angst und ganz oft Hilflosigkeit. Dabei ist der Grundgedanke, dass wir Menschen alle gleich sind und auch so behandelt werden sollen, ein sehr guter Anfang. Und ja, mir ist bewusst, dass wir nicht alle gleich sind. Wir sind unterschiedlich und individuell. Inklusion meint aber, dass wir mit all unseren Grundvoraussetzungen, egal wie die sind, die gleichen Chancen im Leben haben. Für Kinder bedeutet das eine individuelle und auf jeden Fall zugeschnittene Förderung in Kita und Schule. Wie sagt meine große Tochter mit großen Augen, als ich ihr das Wort Inklusion versuche zu erklären: „Was ist das denn für ein Quatsch? Warum gibt es dafür einen Begriff? Wir sind doch alle Menschen und gut.“
Was hat jeder Einzelne mit Inklusion zu tun?
Für die einen ist die Debatte um das Thema Inklusion schon ein alter Schuh, der jede Saison aufs neue aus dem Regal geholt wird und so langsam nicht mehr passt. Viele verdrehen die Augen, fühlen sich nicht betroffen und die Betroffenen selbst sind vor lauter Kampf erschöpft. Was hat also jeder Einzelne von uns mit Inklusion zu tun? Sehr viel. Wir können dafür sorgen, dass „anders sein“ für unsere Kinder von Anfang an Normalität beschreibt. Denn der erste Schritt, um Menschen nicht auszugrenzen, ist die Sensibilisierung und das Vorleben von Normalität. Ich glaube fest daran, dass wenn die Diskriminierung in unserem Land nachlässt, das Denken in den Köpfen ein anderes wird. An vielen politischen Entscheidungen, die oftmals als sehr kopflose Ideen verstanden werden könnten, kann der Einzelne von uns wenig machen. Wir können darüber sprechen, Probleme offen thematisieren und immer wieder darauf hoffen, dass wir ein Ohr bekommen. Wie hat schon meine Oma immer gesagt: „Nur Sprechenden kann geholfen werden!“
Mit Kindern über Inklusion sprechen
Was erzählt man Kindern? Will man überhaupt etwas erzählen? Hier ist der Tenor, dass jeder Mensch, so wie er ist richtig ist. Immer wieder erkläre ich dem großen Mädchen, dass das Wort Individuum total wichtig und das eigene Tempo ganz bunt ist. Als wir von der aktionMensch ein inklusives Kinderbuch geschickt bekommen, ist das Kind ganz aufgeregt und voller Wissensdurst. „Wo lernen blinde Kinder? Wie lernen die lesen? Und was heißt leichte Sprache? Und was genau ist eine Behinderung?“ Es wird ein langer Nachmittag, wir reden über Wörter, die man besser nicht benutzt und Wörter, die vollkommen ok sind. Über Menschen mit Sehbeeinträchtigungen, Kinder im Rollstuhl, Kinder, die ziemlich wütend und laut sind und auch über das Down-Syndrom. Darüber, dass es Menschen gibt, die eben diese Personen nicht möchte. Das Kind bekommt große Augen, blättert im Buch und holt dann tief Luft: „Mama, weißt du was? Ich finde diese Menschen total doof. Das ist nämlich gemein. Die sollte mal einer richtig anschreien und denen das so sagen. Wir sind alle Menschen und niemand darf andere wegen solcher Kleinigkeiten doof finden.“
In diesem Sinne: sprecht drüber, öffnet Augen und sensibilisiert. Denn: Wir sind alle Menschen!
frauraufuss
Dieser Beitrag entstand in Kooperation mit Aktion Mensch, allerdings aus voller Überzeugung und mit ganz viel Herzblut!
5 comments
Wow! Applaus fürs Kalinchen! Wenn doch nur alle so denken würden, wäre die Welt um ein Vielfaches besser!
<3 ja das große Mädchen ist schon ziemlich cool.
Endlich habe ich einen guten Blog zum Abonnieren gefunden
ilo26t
pjnwxo