Eine Info zu Anfang: dieser Text ist sehr persönlich und an vielen Stellen traurig.
Wenn ich an die ersten Wochen und Monate als Mama denke, schießen mir dicke Tränen in die Augen. Ich habe versagt. Und zwar so richtig. Ich war nicht für mein Kind da, habe mein Kind nicht so gewollt wie ich es hätte sollen und wäre am Liebsten jeden Tag einfach weggelaufen. Das Mamasein war für mich der größte Fehler meines Lebens und ich hätte meine Tochter ohne Probleme weggeben können. (Jetzt kommen mir die Tränen und ich schäme mich so sehr für mich)
Während die Mamas beim Pekip, zwar müde und geschafft, dennoch glücklich lachend über ihre neue Rolle redeten, wollte ich mein altes Leben zurück. Ich wollte durchschlafen, wieder zur Uni und arbeiten. Ich empfand das Mamasein als Höchststrafe, suchte wochenlang nach dem Grund warum man mir so etwas antun musste. Es war unmöglich mit dem Kalinchen alleine zu Hause zu bleiben und ich zählte jeden Tag die Stunden, bis der Papa wieder nach Hause kam.
Es gab Nächte in denen ich angezogen vor der Tür stand. Ohne Ziel wollte ich weg. Weg aus meinem neuen Leben.
Niemand konnte mich verstehen, meine Gedanken teilen und mir helfen. Ich fühlte mich alleine, meine Gedanken waren so unglaublich anstrengend, dass ich immer müde und erschöpft war.
Dieser Zustand hielt für mehrere Wochen an. Unsere Wohnungen sah schlimm aus und ich wohnte in meinem Bett. Immerhin konnte ich das Kalinchen versorgen, für mehr hatte ich aber keine Kraft.
Heute vor 4 Jahren ging ich zum Arzt. Dieser nahm mich in den Arm und sagte, dass es ok ist und ich diesen Zustand einfach akzeptieren müsse. Vor mir würde ein steiniger Weg liegen, ich würde es aber schaffen.
Ich fing eine Therapie an, besuchte eine Heilpraktikerin und begann mich mit meiner Situation auseinander zu setzen. Ich zwang mich das Kalinchen als meine Tochter zu akzeptieren. Meine Heilpraktikerin nahm sich viel Zeit. Wir sprachen, tranken Tee und fanden nach einigen Stunden den Fehler im System. Ich weiss heute, woran es gelegen hat. Seit 4 Jahren setze ich mich mit dieser Situation auseinander.
Nach der ersten Sitzung fuhr ich nach Hause und nahm meine Tochter, das erste Mal mit einem Lächeln im Gesicht, auf den Arm. Das erste Mal spürte ich so etwas wie ein Muttergefühl. Von diesem Tag an schwor ich mir, dass ich meine Tochter für immer lieben werde.
Monatelang musste ich die ersten Monate aufarbeiten und habe noch heute das Gefühl, dass unsere Bindung durch die Wochenbettdepression einen Knacks hat. Das Kalinchen ist sehr auf ihren Vater fixiert und oft spiele ich nur die zweite Geige.
Ich weiss, dass das völliger Quatsch ist und sie mich genauso liebt. Dennoch tut es oft weh. Dann wird mir bewusst, wie sehr ich versagt habe. Wie sehr dem Kalinchen ihre eigene Mutter in den ersten Monaten gefehlt hat. Ich war zwar körperlich anwesend, konnte aber keine Gefühle und Berührungen zu lassen.
4 Jahre danach bin ich Stolz. Stolz darauf, dass ich diesen Weg gegangen bin und ihn bezwungen habe. Ich kann mein Kind lieben. Ich weiss wo mein Problem liegt. Meistens schwirrt es in meinem Kopf, manchmal ist es einfach da und neuerdings lerne ich es auszublenden.
Ich möchte allen Müttern, denen es ähnlich geht und ging, etwas mitgeben:
Scheut euch nicht über eure Gefühle und Ängste zu reden. Sucht euch Hilfe und akzeptiert, dass es manchmal anders läuft als geplant. Ihr seid wundervolle Frauen, habt ein Kind auf die Welt gebracht. Euer Kind liebt euch bedingungslos. Der Weg ist zwar steinig, nicht gerade und oftmals steht man vor einer Sackgasse. Es lohnt sich aber. Lauft los, schaut nicht nach hinten. Ihr seid nicht allein!
frauraufuss
15 comments
Danke für diese Zeilen, ich habe mich bis heute (tochter 13 Monate) nie getraut Gedanken aus zu sprechen.
Ich bereu so vieles, am meisten das ich die ersten Wochen nicht so genießen konnte wie es “normal“ ist.
Ich denke auch oft das unsere Beziehung einen knacks hat. :(
reden hilft so sehr…es tut mir leid, dass du angst hast.
Auch jetzt denke ich noch manchmal “was mache ich hier überhaupt, ihr beiden kommt auch ohne mich zurecht. Vielleicht sogar besser“
Ach Süße! Ich bin froh, dass du selbst schreibst, dass du jetzt eher Stolz als Scham fühlst. Weil es genau das ist: Du hattest einen Fehler im System, aber dein Herz war so groß, dass du ihn aus eigener Kraft besiegt hast. Und genau das macht die Liebe zu deiner Tochter, die am Anfang nicht da war, ganz bestimmt wieder wett.
Sei gedrückt, du mutige, tapfere, starke Mutter <3
isch heule. danke!
Du sprichst, dass aus was andere denken und fühlen und machst anderen Menschen damit Mut und schenkst ihnen Kraft. Deine Tochter kann Stolz auf dich sein!
Danke!
Ich glaube jede Mutter hatte schonmal den Gedanken, einfach abzuhauen.
Bei manchen kommt er jedoch häufiger und bei wenigen ist er einfach riesig.
Wer aber diesen Gedanken zulässt, sich seiner bewusst ist und etwas dagegen tut, ist auf gar keinen Fall ein Versager.
Auch Du nicht!
Du bist stärker als Du glaubst, sogar so stark dass Du anderen von Deiner Kraft abgibst (da rede ich aus Erfahrung!!!)
❤
Liebe FrauRaufuß,
danke für Deinen berührenden Text! Ich selbst kenne auch Depressionen als Mama und es ging auch vor vier Jahren los. Ausgebrochen ist es später, die Symptome waren ähnlich und doch anders… Aber es war beschissen. So richtig! Ich kenne die Schuldgefühle, die Scham, die Angst dem Kind und der Bindung zu ihm zu schaden. Das Gefühl, versagt zu haben. Aber wir haben nicht versagt. Wir haben gekämpft.
Alles Liebe für Euch,
Isabel
p.S.: Weil mich das Thema postnatale Depression so sehr beschäftigt hat, habe ich eine Blogparade ins Leben gerufen: “Mama ausgebrannt – Wege aus der Krise”. Sie ist leider schon vorbei, aber vielleicht findet der ein oder die andere LeserIn noch hilfreiche Berichte (wenn nicht erwünscht, einfach löschen).
http://magna-mater.de/mama-ausgebrannt-wege-aus-der-krise-blogparade
Hallo Isabel, da werde ich direkt mal vorbei gucken…deine Worte tun mit so gut!
Fühl dich virtuell umarmt. Mir ging es ebenso. Ich habe ein Geburtstrauma (Notkaiserschnitt, sehr schlechte Betreuung im KH) und eine mittelschwere (?) Wochenbettdepression erlebt. Da ich allerdings bereits ein paar Jahre zuvor eine Gesprächstherapie gemacht habe (das Verhältnis zu meinem narzistischen Vater ist eine Bürde,die sicher auch zu der Situation beigetragen hat), habe ich mir nach 2 Monaten Hilfe geholt. Auslöser (für’s Bewusstwerden) waren die Babymassagekurse. Ich fühlte mich so fremd,ich schämte mich,weil mir das alles zu viel war. Das Kind,das Stillen,alles. Ich wollte mich verkriechen und einfach meine Ruhe haben,vor allem vor dem Kind. Ich habe geheult und bin zu den letzten Stunden nixht mehr gegangen. Die Therapie hat geholfen,in einer urlaubsbedingten Pause hatte ich allerdings einen Rückfall. Ich war bei einer Freundin,der Mutter meines Patenkindes, und ich konnte es nicht ertragen. Die Situation. Für sie war das Leben mit Kind so selbstverständlich. Und ich? Ich fand es grauenhaft. Ich sehe mich auch heute oft nicht wirklich als Mutter. Ich bin es,klar, und ich liebe die Kleine mittlerweile,aber zu Beginn…konnte ich das nicht. Also saß ich heulend im Zug nach Hause und wollte bis Frankfurt durchfahren und den nächsten Flieger nehmen. Zum Glück war das nur eine kurze Situation,aber sie hat mir auxh gezeigt,wie fragil ich bin und wie sehr man kämpfen muss…Jeden Tag,um nicht wieder in dieses Loch zu fallen und für mich,mein Kind,meine Familie stark zu sein.
Das erste Jahr mit meiner Maus habe ich also ebenfalls nur mir gemischten Gefühlen erlebt. Das und das Trauma sorgen alleine dafür,dass ich keine Kinder mehr möchte. Zu groß ist die Angst,sowas nochmal zu erleben oder die gerade aufgebaute Bindung zu meiner Maus zu verlieren. Man sucht es sich nicht aus und es ist schwer.
Fühl dich also gedrückt…und all die anderen Mamas da draußen auch,die ähnliches durchmachen. Es ist nicut eure Schuld und nicht euer Fehler,sowas sucht sich keiner aus…
Vielen Dank, dass Du so offen darüber geschrieben hast. Leider wird das Thema oft viel zu sehr verschwiegen.
Mir ging es die ersten Wochen ähnlich…
Ich hatte mich auf das Baby gefreut, obwohl ich eine schlimme Schwangerschaft hatte!
Aber als es dann da war, dachte ich “Ok, jetzt habe ich dich gesehen, jetzt lass uns wieder in Ruhe!”
Es hat Wochen gedauert, bis sich Muttergefühle eingestellt haben! Mein Mann musste damals voll ran und unsere Tochter ist wochenlang nur bei ihm abends eingeschlafen.
Ich dachte dann: das wars jetzt! Sie weiß es! Und sie liebt mich zur Strafe auch nicht!
Mittlerweile könnte das Verhältnis zwischen ihr und mir nicht enger sein!
Trotzdem habe ich hin und wieder den Gedanken, dass ich an die Grenzen komme und eine Pause vom Mamasein brauche.
Dann springen die Omas ein und ich kann kurz Kraft schöpfen.
Ich kann gut verstehen, wie lang das nach hängt!
Danke, dass du das mit uns geteilt hast!
Der Bericht könnte von mir sein. :-(
Unser Gruselwusel kam vor 4 Jahren zur Welt. Ich hatte sogar den Wunsch ihn abends hinzulegen und er wacht morgens einfach nicht mehr auf. Mein ‘Problem’ wäre gelöst und ich könnte in mein altes Leben zurück.
Es war für mich UNVORSTELLBAR mein Kind anzuziehen und in den KiWa zu legen um mit ihm spazieren zu gehen.
Auch ich habe ständig auf die Uhr geschaut wann mein Mann endlich nach Hause kommt und habe ihm noch in der Tür den Gruselwusel in die Hand gedrückt. Ich hatte ständig Heulattacken.
Es hat 18 lange Monate gedauert bis ich Hilfe bekam.
Beim ersten Termin bei der Psychiaterin brach alles aus mir heraus!
Seitdem bin ich in Behandlung. Ich kenne das Gefühl wenn ich mir die Babyfotos ansehe: ich könnte heulen und denke ‘warum hast Du nicht erkannt wie süß der kleine Kerl ist?’.
Ich finde es super dass Du so offen bist! Ich habe meine Erfahrung auch öffentlich gemacht und war über die Reaktionen positiv überrascht!
Ich finde die Wochenbettdepression muss viel selbstverständlicher im alltäglichen Leben ankommen, damit betroffene Mamis sich nicht schämen müssen und Hilfe bekommen wenn sie selbst keine Kraft haben sich welche zu suchen!
Ich finde mich in einigen ihrer Worte wieder.
Leider musste ich aus eigener Kraft aus dieser Situation raus komm kein Arzt erkannte dies.Traurig aber wahr.
Mit fällt es deshalb auch sehr schwer drüber zu schreiben.
Liebe Grüße