Während ich aus der Dusche steige, sitzt das Kalinchen im Bad und guckt nachdenklich. „Mäuschen, was ist denn los? Du sollst doch nur deine Zähne putzen.“ Die Tränen kullern und mein kleines großes Kind ist wie verwandelt. „Ich will nicht groß werden. Das ist einfach nur total blöd und oberdoof.“ Kurz bin ich ein wenig überfordert, es ist 7:03 Uhr, ich hatte noch keinen Kaffee, habe wenig geschlafen und bin für Welt-Verbesserungs-Gespräch noch nicht wirklich fit. Aber dann schaltet sich der Kopf ein: in wenigen Wochen beginnt die Schule und aufeinmal will mein Kind wieder klein sein. Über das letzte halbe Jahr vor der Schule und die Angst, Fehler zu machen.
Dass die letzten Monate in der Kita nicht mehr allzu spannend sind und alle Zeichen auf Schule stehen, ist ja nichts Neues. Neu ist aber diese große Angst groß zu werden. Egal ob es um das selbständige Zähne putzen geht ( Selbstverständlich werden die Zähne von Mutti kontrolliert), das Anziehen von Hosen oder das Schmieren von Butterbroten geht: mein Kind würde am liebsten sofort vergessen, wie all das geht. Woran das liegt?
Ich kann mich dunkel an die Zeit zwischen Kita und Schule erinnern. An die Aufregung, die Angst vor Fehlern, die neuen Freunde, meinen coolen Bibi Blocksberg Ranzen und daran, dass ich es kaum abwarten konnte endlich lesen zu lernen. Seit der offiziellen Platzvergabe habe ich das Gefühl, dass hier kein Vorschulkind sondern ein 2-Jähriges Kind wohnt. Bei jeder Aufgabe, die vorher immer ohne Probleme geklappt hat, gibt es dicke Tränen und nur Mamas Schoß kann das ganze wieder richten. Und immer öfter kommt dieser eine Satz: „Ich will nicht groß werden.“
Abnabelung – Ein Prozess?
Vielleicht wird ihr einfach immer mehr bewusst, dass Schule etwas mit Selbständigkeit zu tun hat. Damit, dass niemand mehr mit Mützen, Socken und Kuscheltieren durch die Gegend läuft und flüchtige Besitzer sucht. Einige Male haben wir den neuen Schulweg angeschaut, die Gefahrenstellen besprochen und darüber geredet, dass Mama nicht ewig bis ins Klassenzimmer gehen kann. Und ich glaube hier liegt eins der Probleme: Schule ist ohne Mama. Niemand, der fünfmal kontrolliert, ob die Flasche zu ist, das Frühstück wieder im Tonni ist und niemand, der dicke Tränen trösten kann und die größten Arme der Welt hat. Laut blondem Wirbelwind ist Mama nämlich deswegen nicht immer blöd, sondern auch ganz oft richtig toll. Mama hat nämlich große Arme und kann immer sofort trösten.
Je mehr ich dieses Kind im Bad auf dem Schoß sitzen habe, die Atemzüge sich langsam wieder beruhigen und die Tränen schließlich trocknen, desto bewusster wird mir, dass sie sich gerade abnabelt, einfach noch gar nicht bereit ist oder gar nicht abgenabelt werden will. Dass hier etwas Neues beginnt, spüren wir alle. Dass wir daran wachsen werden und das auch schon jeden Tag ein kleines Stück tun, ist im Alltag manchmal vergessen. Der Prozess hat angefangen und durch die kleinen Verweigerungs-Versuche leuchtet mir ein, dass es doch völlig ok ist, dass sie wieder mehr von mir braucht. Und so flüstere ich ganz leise in ihr Ohr, dass ich immer da bin, sie niemals Angst haben braucht und ganz geheim einfach immer an mich denken kann, wenn sie ein bisschen Kraft abhaben möchte. Ein kleines Lächeln kommt über ihre Lippen und in diesem Moment ist mein kleines Mädchen noch einen Zentimeter mehr gewachsen.
Schule? Wir kommen. Langsam, aber bald sind wir da.
Habt ihr ähnliche Situationen erlebt? Ich bin wirklich interessiert über all eure Geschichten!
frauraufuss