Wie wäre mein Leben ohne Kind?
Es ist 3.45 Uhr. Meine Tochter schreit, steht in ihrem Bettchen und ist zum dritten Mal in dieser Nacht wach. Sie hat keinen Hunger, die Windel ist frisch und ihr Schnuller ist griffbereit in der Nähe. Müde und langsam ziemlich genervt stehe ich auf, ziehe mir einen Pullover über und gehe ins Kinderzimmer. Beim Aufstehen murmle ich böse Dinge, ich bin ziemlich genervt. Seit Wochen habe ich nicht durchgeschlafen, eine Nacht mit 5 Stunden Schlaf am Stück wäre etwas Wundervolles. Ich reiße mich zusammen, schlucke meine schlechte Laune runter und bin ganz ruhig. Als ich das Zimmer betrete, grinst mich das kleine Mädchen an und hört mit einem Schlag auf zu weinen. Ich erkläre ihr, dass man nachts schläft und Mama auch unendlich müde ist. Dass sie nicht weinen muss und, dass wir ihre Spieluhr jetzt nochmal anmachen und bis zum Frühstück weiterschlafen. Sie grinst weiter und macht keine Anstalten wieder einzuschlafen. Ich gebe ihr einen Kuss und gehe wieder raus. Müde schlafe ich sofort ein.
5.23 Uhr. „MammmMammmaMammma“ tönt es aus dem Kinderzimmer. Ich sitze in meinem Bett, die Tränen kullern und ich möchte einfach schlafen.
Ein Leben ohne Kind.
Als ich im Bett sitze, kommen die Gedanken. Schlafen, sich nicht nach einem kleinen Menschen richten, selbstbestimmt und frei sein. Einfach das machen, wozu ich Lust habe. Was wäre aus mir geworden? Ich hätte etwas anderes studiert und diese wundervolle Stadt verlassen. Viele Erlebnisse wären mir entgangen, Erfahrungen würden mir fehlen und wohlmöglich wäre ich ein komplett anderer Mensch geworden. In den letzten Jahren haben diese Gedanken, an ein Leben ohne Kind, stark nachgelassen. Die ersten zwei Jahre waren anstrengend, neu, voller Prüfungen und manchmal, nur ganz selten, träumte ich davon die Uhr zurückzudrehen. Dieser Gedanke hielt immer nur sehr kurz, denn sobald mich die großen Augen anstrahlten, die klitzekleinen Zähnchen und ein breites Grinsen auftauchten, war alles vorbei.
Heute denke ich, dass ein Leben ohne Kind für mich eine andere, wohl schlechtere Entwicklung gehabt hätte. Die Nächte sind endlich wieder zum Schlafen da, meine Tochter ist so groß, dass wir auch mal das machen, wozu ich gerade Lust habe und ich fühle mich trotz meiner Mama-Rolle nicht eingezwängt. Das Leben als Mutter an vielen Stellen vorbestimmt und im Alltag geht der Gedanke, sich selbst etwas Gutes zu tun, oft unter. Denn es gibt eben wichtigeres. Was ich in den letzten Jahren verpasst habe? Viele Partys, Festivals, spontane Verabredungen, langweilige Sonntage im Bett, langes Ausschlafen wann immer die Zeit dazu war und eventuell spontane Urlaube. Was ich aber bekommen habe? Ein erstes Lächeln, ein erstes lautes und stolzes „Mammma“, erste Schritte in meine Arme, einen selbstgeschriebenen Liebesbrief, hunderte Kunstwerke, zarte Streicheleinheiten am Morgen und viele viele wundervolle Momente, die ich niemals hätte verpassen wollen.
Zwischen Superheld und großer Erschöpfung
Ein Leben ohne Kind? Mit letzter Kraft dürfen solche Gedanken bei jeder Mutter auftauchen, denn am Ende sind wir zwar Superhelden, aber auch die dürfen müde und erschöpft sein. Doch in diesen Momenten hilft ein Blick auf all das, was wir durch unsere Kinder erleben dürfen. Und was ist schöner, als der Babyduft am Morgen, große Augen, die bedingungslose Liebe ausstrahlen und die Vorfreude auf viele weitere gemeinsamen Momente? Viel schöner ist nur ein großes Kind, dass nach einem langen Tag ganz klein gekuschelt auf dem Arm liegt, die Augen schließt und ganz leise flüstert: „Mama, dich hab dich immer lieb. Auch wenn ich groß bin, dann klettere ich auf deinen Schoß, wir kuscheln so wie jetzt und sagen das einfach niemandem.“
Macht euch keinen Vorwurf, diese Gedanken dürfen kommen, die Kunst ist es, sie mit positiven Gefühlen klein zu machen!
frauraufuss
1 comment
Hi Märry,
recht hat se. Und so schön geschrieben. Danke dir, ich wollte deinen Text auch unbedingt meinen Lesern empfehlen
Liebe Grüße und ein schönes WE mit deinem wilden Wunder,
Barbara