Die Gedanken tanzen, springen, sind weg und wieder da. Alte Gefühle kommen hoch, von denen ich fest dachte, sie wären irgendwo tief gespeichert, verarbeitet und hätten keinen Platz mehr. Die Geburt naht. Jeden Tag kommt sie näher und mein sehnlichster Wunsch nach einer normalen Geburt rückt in weite Ferne. Und wieder ist sie da. Die Angst. Die Angst zu versagen. Zum zweiten Mal.
Das Baby liegt seit Wochen mit dem Po nach unten. Ja, ich weiss wir haben noch Zeit. Kinder drehen sich bis zum letzten Tag und tunen fleißig rum. Fridokarla liegt aber schon immer so. Macht keine Anstalten sich zu wenden und der Termin für eine äußere Wendung ist in 8 Wochen. Das Gedankenkarussell fängt an sich zu drehen. Ich sehe mich im Operationsraum, spüre die Atmosphäre, kann die Gedanken wieder hören und sämtliche gesprochene Wörter sind wieder da. Es ist, als ob es gestern wäre. Das große Mädchen kommt auf die Welt. Es ist alles anders, als ich es mir gewünscht und vorgestellt habe. Ich brauche lange, um all das hinter mir zu lassen. Anzukommen, mein Leben zu lieben und mich nicht als Versagerin zu fühlen.
Und jetzt ist es wieder da. Das Gefühl zu versagen. Noch nichtmal ein Kind normal im Bauch haben zu können. Ich bin blockiert, nicht frei in meinen Gedanken und dickköpfig wie eh und je. Als ich merke, dass ich aus dieser Sackgasse nicht rauskomme, suche ich mir Hilfe. Eine Hebamme, die Traumata behandelt. Ruhig und entspannt fahre ich zum Termin. Was soll schon passieren? An mir wird es doch nicht liegen, ich habe doch einen genauen Plan. Nach dem Gespräch weiss ich, ich bin das Problem. Ich bin nicht frei, bin blockiert.
Wir reden. Über die Entscheidung zum Kaiserschnitt. Meine Unwissenheit zum Thema Geburt und zum Muttersein. Über unserVersagerin Über meinen langen Weg in die Mutterrolle und die Akzeptanz gut zu sein, so wie ich bin. Es kullern Tränen, die Wut steigt auf und die Gedanken sortieren sich neu. Stark und gefestigter fahre ich nach Hause. Ich will etwas für mich machen, das Baby in mir noch mehr wahrnehmen, auf das Leben draussen vorbereiten und mich für die Geburt öffnen. Für das Neue, das nicht Vorhersehbare.
Vor mir liegt ein Stück Weg. Ich muss mich darauf vorbereiten, dass ein Kaiserschnitt nichts mit Versagen zu tun hat. Dass ich Schutz während der Geburt brauche, denn mein Körper hat immer noch verletzte Stellen, die nach Heilung schreien. Dass es ok ist, dass meine Geschichte so ist, wie sie ist. Jeden Abend rede ich mit dem wunderbaren Wesen in meinem Bauch. Erzähle von meiner Geschichte, der Geschichte meiner ersten Geburt und dem Wunsch nach einer neuen, gemeinsamen Geschichte mit meinem Baby. Und egal wie, wir werden eine neue Geschichte schreiben, unsere Erfahrungen machen und ich werde mich Stück für Stück öffnen.
Alleine die Erkenntnis, dass Wunden niemals ganz verheilen und jeder Umweg auch ein Weg ist, nimmt mir eine große Last ab. Ich werde nicht versagen, egal was passiert. Ich werde auf meine inneren Bedürfnisse hören, diese einfordern und mehr auf mich achten. Auch dieser Umweg wird einen Sinn haben, mich stärker machen und wachsen lassen.
Ich werde nicht versagen.
6 comments
Mein Sohn war ein Notkaiserschnitt. Die Geburt verlief bis da traumhaft, schnell und einfach. Doch plötzlich wurden seine Herztöne schlechter und mit einem Mal war ich im OP. Als ich im Spitalbett lag weinte ich, weil ich versagt hatte. Die Uraufgabe einer Frau konnte ich nicht erfüllen. Bis mir meine Mutter bewusst machte, dass er ohne Kaiserschnitt gestorben wäre und ich vielleicht auch.
Meine eigentliche Aufgabe als Mutter ist der Schutz meines Kindes bis es seinen eigenen Weg geht, egal welche Massnahmen dafür schlussendlich nötig sind. So konnte ich akzeptieren, dass die Geburt nicht so gelaufen ist, wie ich mir das gewünscht hätte. Denn meinen eigentlichen Auftrag habe ich erfüllt, mein Sohn lebt und darf geborgen leben.
Ich wünsche dir ganz viel Kraft und besonders viel Liebe für dich selbst <3
Danke Anja! Das ist so eine wertvolle Perspektive. 4 Monate ist mein Baby jetzt alt und ich hadere insgeheim auch mit der Geburt.
Diese Gefühle kenne ich, es ist sehr mutig, darüber zu schreiben.
Habe nun zwei Mal Gespräche mit Profis darüber geführt, die emotional waren, aber mir sehr geholfen haben, diesen Teil unserer Geschichte zu akzeptieren und sogar für gut zu befinden.
Im März kommt nun ein weiteres Baby zur Welt und die Gedanken an die Geburt sind nun schon um einiges unbefangenener, als sie vor einigen Monaten noch gewesen wären.
Alles Gute Dir &euch!
Meine beiden Söhne waren ungeplante Kaiserschnitte. Nach dem ersten und vor allem vor der Geburt des zweiten hatte ich genau solche Gedanken und Ängste (hinzu kam noch, dass ich nach drei Jahren Unfruchtbarkeit erst nach einem ärtzlichen Eingriff schwanger geworden bin und sich Sohn 1 auch nicht stillen lassen wollte – dreifaches Versagen der Mutter: kann nicht ohne Hilfe schwanger werden, kann nicht ohne Hilfe das Kind gebären und kann es nicht ohne Hilfe ernähren).
Die zweite Geburt kam, wie schon bei Nr. 1, nach vielen Stunden zum Stillstand. Und dann entschied ich. Während bei Sohn 1 der Arzt und die Hebammen entschieden, einen Kaiserschnitt zu machen, tat ich es bei Nr. 2 selber. Was alles, wirklich alles änderte. Ich hatte das so gewollt (obwohl ich vorher unbedingt eine natürliche Geburt haben wollte), und mich hat das mit allem, was bei Sohn 1 “schief” gelaufen ist, versöhnt. Lange habe ich meinen zweiten Sohn “Den Versöhner” genannt. Für Außenstehende alles nicht nachvollziehbar, aber die Gefühle waren ja da und echt.
Heute bin ich froh, dass es sowas wie eine Sectio gibt, denn sonst wären meine Kinder und/oder ich nicht (mehr) am Leben. Was irgendwie schade wäre ;-)
Alles Gute, du rockst das Ding.
Es ist nicht DEIN VERSAGEN!
Ich habe mich damals (bei mir ist das schon fast 23 Jahre her( auch so gefühlt, ein Kind saß falsch rum, ich habe einen Wendungsversuch im Krankenhaus gemacht und der hat nicht funktioniert, also wurde er per Kaiserschnitt geholt. Beim zweiten Kind sah es erst so aus, als wenn alles planmäßig läuft, er lag richtig rum und die Wehen begannen, dann ließen die Herztöne nach und ich habe mich nach 17 Stunden Wehen doch für einen zweiten Kaiserschnitt entschieden. Mein Arzt sagte damals: Schauen sie nicht so traurig, manchmal geht es nicht anders. Im Nachhinein war es gut so, denn wenn ich auf eine “normale Entbindung” bestanden hätte, wäre mein zweiter Sohn wohl mit einer Behinderung wegen Sauerstoffmangel zur Welt gekommen. So ist alles gut gegangen und ich habe mich schon lange damit ausgesöhnt!
Viele Grüße
Susanne
Du hast einem Kind Leben geschenkt. Das ist alles andere als Versagen!