Es ist spät in der Nacht, ich kann nicht schlafen. Vor wenigen Stunden habe ich angefangen die Geschichte von Jusu zu lesen und ich kann einfach nicht aufhören. Schon lange ist es her, dass ich ein Buch in einem Rutsch durchlesen musste, denn es lässt mich nicht los.
Als ich Jusu das erste Mal treffe, bin ich mir gar nicht sicher, ob sie die richtige Person ist. Ich habe schon einige Menschen mit MS kennen gelernt aber niemand hat so viel positive Energie ausgestrahlt wie Jusu. Sie ist immer positiv, hat ein offenes Ohr und ist außerdem noch ziemlich lustig. Sie hat so viel Kraft und hat mir davon schon oft ein Stück abgegeben.
Jusu ist Anfang dreißig endlich mit ihrem Mann zusammengezogen und eigentlich sieht von außen alles perfekt aus. Doch irgendwie hat sie da so ein Kribbeln. Weil das Kribbeln nicht weggeht, weist sie sich in ein Krankenhaus ein und lässt nach der Ursache forschen. Nach einigen Untersuchungen steht schnell fest, sie hat Multiple Sklerose. Als ich diese Seiten lese, kullern mir die Tränen über mein Gesicht. Ich kann mir vorstellen, wie dieses Gefühl war. Eine Welt zerbricht und man weiss nicht, wie es weitergehen soll.
„Panik macht sich in mir breit. Ich habe Angst! Diese Angst wird immer größer und nimmt plötzlich sehr viel Raum ein.“
Vor einigen Monaten saß ich sehr lange mit Jusu im Auto. Sie erzählte, wie sie sich damals sehr schnell für Kinder entschieden hat. Kurz nach der Diagnose fragte ihr Neurologe, wie es mit ihrem Kinderwunsch aussehen würde. Denn Frauen mit MS müssten ihre Medikamente absetzen und würden somit das Risiko eines Schubes erhöhen. Da sie noch keine Medikamente einnehmen würde, wäre jetzt der perfekte Zeitpunkt, um ein Kind zu bekommen. Innerhalb von wenigen Momenten war die Entscheidung für ein Kind gefallen.
Wie die Geschichte weitergeht?
Jusu bekommt ein gesundes Mädchen, versucht Stress zu vermeiden, stellt ihre Ernährung um und bekommt ein zweites Mädchen. Ich bewundere ihre Entscheidung für Kinder sehr und doch ist dieses Entscheidung so selbstverständlich und natürlich. Warum soll sie nicht Mutter sein? Vielleicht ist sogar diese bewusste Entscheidung für ein Kind, das beste was ihren Kindern passieren konnte. Mittlerweile haben die Mädels noch einen kleinen Bruder bekommen.
Niemand sieht es ihr an und sogar ich vergesse oft, dass Jusu mit dieser oberbescheuerten Krankheit leben muss. Was ich aber nicht vergesse, ist ihre Willensstärke und ihre Kraft zu kämpfen. Für sich, ihre Kinder und ihren Mann.
Als ich das Buch zuklappe und noch bis früh in den Morgen über dieses Schicksal nachdenke, wird mir bewusst, wie wichtig ein positiver Umgang mit Krankheiten ist. Und so blöd ich die schlauen Sprüche meiner Mama manchmal finde, so sinnvoll sind sie trotzdem: „Bange machen ist nicht und Probleme werden dann gelöst, wenn sie da sind.“ Und so lebt Jusu ihr Leben. Sie macht einfach.
Wenn ihr ein Buch für einen gemütlichen Nachmittag eingekuschelt auf dem Sofa sucht, dann ist „Alles wie immer, nichts wie sonst“ eine Empfehlung.
FrauRaufuss