„Wow. Das hast du aber toll gemacht.“ Neuerdings fällt mir das Loben des Kindes nicht mehr so einfach. Denn. Muss ich wirklich jedes gemalte Bild, jeden geschnittenen Schnippsel und das alleinige Anziehen der Socken loben? Wie viel Lob brauchen Kinder wirklich?
In meiner Brust schlagen zwei Herzen. Das größere ist mein Mutterherz und trifft Entscheidungen spontan, bedürfnisorientiert und manchmal einfach aus dem Bauch heraus. Das kleine Herz, mein Pädagogenherz, reflektiert meine Entscheidungen und bildet sofort Pro-und Contra-Listen meines Handelns. Gerade in den letzten Wochen ist mir dieses Doppelherz-Denken aufgefallen. Ich kann mich nicht davon freisprechen immer pädagogisch und erzieherisch richtig zu handeln. Am Ende bin ich nämlich doch die Mama und Mamas dürfen Fehler machen, manchmal müssen Fehler sogar passieren. (Meinen neuen Lieblingssatz muss ich an dieser Stelle mit einem Zwinkern verkneifen. „Aus Fehlern lernt man.“ Das Kind rollt mit den Augen sobald die ersten Wörter über meine Lippen gehen. „BOAH Mama, ich weiss das.“)
Nun gut.
Wie ist das mit dem Loben eigentlich? Brauchen Kinder Lob? Wie viel Lob ist gesund? Wer sollte loben? Was sollte gelobt werden?
Wenn ich an die ersten Jahre zurückdenke, sollte ich meinen Kopf dringend an eine Wand hauen. Denn ich gehöre zu den Müttern, die fast alle gut gemachten Dinge gelobt haben.
Wir befinden uns also auf dem Spielplatz, frauraufuss ist gerade im zweiten Jahr Mutter und das Kalinchen hat ein kleines Loch gebuddelt. „Super. Das hast du aber ganz toll gemacht. Prima.“ Die Brut guckt mich an und hat sich bestimmt damals schon gedacht: „Meine Mama ist nicht ganz dicht. Die spinnt doch.“ 3 Jahre später sitzen wir wieder auf dem Spieplatz. Das Kind buddelt und baut eine Burg. Mutti: „Cool. Das hast du gut hinbekommen.“ Die Augen des Kindes rollen, gucken genervt nach oben und das Kind brüllt entrüstet: „Boah Mama. Das ist puppieinfach und sieht total banane aus.“
War das also zu viel Lob in den letzten Jahren?
Warum Eltern ihre Kinder loben sollten
Lob hat viele wundervolle Eigenschaften. Die wertvollste ist wohl der Aufbau des Selbstwertgefühls. Dadurch kann ein Mensch seine Gefühle regulieren und ist am Ende, wenn alles richtig funktioniert, Stolz auf sich selbst. Durch Lob können Kinder und auch Erwachsene lernen. Manchmal erinnert mich die Möglichkeit des Lobens ein wenig an Konditionierung, denn positive Dinge werden positiv verstärkt und dadurch im Gehirn abgespeichert. Viele Erwachsene haben im Alter große Probleme mit den vorhandenen Selbstwertgefühlen und Mustern. Woran das liegt? Irgendwo im Prozess der Kindheit wird ein Fehler unterlaufen sein. Diese Menschen müssen im Erwachsenenalter lernen, Lob zu akzeptieren und in Selbstwertgefühl umzuwandeln. Genau aus dem Grund ist das Loben von Kindern sehr zu empfehlen.
Doch, wie soll ich mein Kind loben? Wie viel Lob ist zu viel?
Die richtige Grammzahl von Lob kann ich nicht sagen. Denn zu viel Lob kann Höhenflüge ergeben und auch das ist kein gesunder Lebensstil. Wichtig ist, dass das Lob Herzenswärme enthält. Ich glaube nach wie vor, dass Kinder unglaubliche Antennen haben und echtes, warmes Lob spüren können. Viel wichtiger ist aber der Wechsel vom Ergebnisloben zum Erlebnisloben. Dabei steh der Weg mehr, als das Ergebnis im Vordergrund. Wenn das Kalinchen also ihre Schuhe wegräumt, dann lobe ich die Veränderung und nicht das eigentliche Wegräumen. „Ich habe gerade gesehen, dass du deine Schuhe heute ohne Aufforderung weggeräumt hast. Das hast du ja bis jetzt noch nie so gemacht und das obwohl du keine Lust hattest. Schön, dass du so selbstständig denkst.“ Hierbei ist es wichtig, das Kind ernst zu nehmen und den Prozess der Veränderungen zu betrachten. Ganz oft hat Lob nämlich etwas mit Mut zu tun, nämlich dann wenn der innere Schweinehund besiegt wird.
Wie viel Lob brauchen Kindern denn jetzt? Wenn wir zurück zum Anfang gehen, den Doppelherzen und der Frage nach Mama oder Pädagogin, dann beantwortet diese Frage mein Mamaherz und zwar aus dem Bauch. Denn ich glaube, dass Lob an vielen Stellen angebracht ist, man mit Lob nicht übertreiben sollte und es bewusst mit der Erlebnislob-Strategie versuchen sollte. Wenn es mir zu viel vorkommt, dann zeige ich meiner Tochter, dass ich sehr wohl sehe, was sie alles kann, lobe es aber nicht expliziert.
Das mit dem Erlebnisloben kann ich jedem nur ans Herz legen, denn es gibt einen ganz anderen Blick auf das Verhalten von Kindern.
frauraufuss
4 comments
Huhu, schöner Artikel!!!
Ich schreibe, weil ich dazu ganz frisch Erfahrungen sammeln konnte, und zwar beim Sport:
Töchterlein hat ja schon Vieles ausprobiert, u.a. Ballett und Reiten. Mit beiden Sportarten war früher oder später Schluss, weil sie immer wieder von ihren Trainerinnen kritisiert wurde. Gehört ja dazu, aber Töchterlein konnte auf Dauer nicht damit umgehen. Mittlerweile hat sie mit Tennis angefangen, wo ihr Trainer jeden noch so winzigen Fortschritt lobt – auf seine lustige Art und Weise. Kritik hingegen äußert er immer in konstruktiven Handlungsanweisungen und verliert dabei nie die Geduld bzw. seinen Humor. Das findet sie total motivierend und ist voll bei der Sache.
Insofern kann ich sagen, dass Lob beim Lernen echt hilfreich sein kann!
LG Anne!!!
Hallo Märry!
Ich würd dich jetzt gern mal drücken!
Den auch in mir schlagen diese zwei
und ich war in letzter Zeit sehr im Zwiespalt, welches Herz wann deutlicher schlagen sollte… naja irgendwie hat es sich mehr wie zwei kleine Männchen auf der Schulter angefühlt die mein Handeln kommentiert haben gehandelt hat oft die Mama und reflektiert hat oft der Pädagoge! Aber es als Doppelherz zu betrachten hilft mir bestimmt…
Liebe Frau raufuss,
Ich habe mal beim gewünschtesten wunschkind gelesen, dass Lob (nicht zu verwechseln mit Anerkennung) eigentlich nur das Gegenteil von Strafe ist und man darum gar nicht loben sollte (weil es auch immer eine Bewertung inne hat).
Die Idee fand ich ungeheuerlich und habe, nur um es doof zu finden, alfie kohn gelesen…und was soll ich dir sagen…. es war so schlüssig und interessant und hat mich richtig verändert.
Vielleicht auch interessant für dein pädagogenherz…
Lg
Hallo Franziska,
den Artikel kenne ich und bin da ganz deiner Meinung.
Liebe Grüße
Märry